Grundlagen 5: Was ist ein Kondensator?
Seite 2: Was macht ein Kondensator bei Wechselstrom?
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Mal wieder ein Blick auf den (geliebten) Eimer Wasser:
In den Eimer fließt nur dann Wasser, wenn sein Wasserspiegel niedriger ist als der der Quelle. Sind beide
Niveaus gleich hoch, fließt kein Wasser mehr.
Für die weiteren Betrachtungen nehmen wir die nebenstehende Anordnung an: Wir haben einen riesengroßen
Topf (der stellt die fast unerschöpfliche Spannungsquelle dar), der durch einen dünnen Schlauch mit
unserem Eimer verbunden ist. Der Schlauchanschluß soll immer von Wasser bedeckt sein, in beiden Eimern, so
daß das Wasser bei Bedarf hin- und herfließen kann, ohne 'Luft zu schlürfen'. Die komplette Quelle
können wir heben und senken, s. den Pfeil in der Zeichnung.
Wenn nun Wasser von der Quelle in den Eimer fließt, dann braucht es einige Zeit, bis der Wasserspiegel im
Eimer genau so hoch wie der in der Quelle ist. Weiter können wir erkennen: Je voller der Eimer wird, desto
weniger Druckunterschied existiert an den Schlauchenden, und desto langsamer wird das Wasser fließen. Heben
und senken wir nun die Quelle (langsam), so fließt das Wasser in den Eimer und wieder aus dem Eimer heraus, je
nachdem, wie hoch wir die Quelle heben oder senken. Der Wasserspiegel im Eimer folgt also dem der Quelle mit einiger
Verzögerung.
Je größer der Schlauchwiderstand ist und je größer der Eimer ist, desto größer ist
auch die Verzögerung.
Erhöhen wir die Geschwindigkeit, mit der die Quelle gehoben und gesenkt wird, also die Frequenz, dann wird das
System Schlauch - Eimer immer mehr (zeitliche!) Mühe haben, den Änderungen der Quelle zu folgen. Bei
mittleren Frequenzen senken wir schon wieder die Quelle, bevor sich der Wasserstand im Eimer vollständig
angepaßt hat. Bei sehr hohen Frequenzen stellt sich im Eimer ein Wasserspiegel ein, der der mittleren
Höhe des Wasserspiegels in der Quelle entspricht, mit nur noch minimalen Schwankungen.
Elektrisch gesehen passiert genau das Gleiche. Wir haben eine Wechselspannungsquelle mit einstellbarer Frequenz, die
eine Reihenschaltung von Widerstand (= Schlauch) und Kondensator (= Eimer) speist. Uns interessiert die Spannung am
Kondensator. Bei Gleichspannung ist sie (kurz nach dem Einschalten) genau so hoch wie die Spannung an der
Spannungsquelle. Bei reiner Wechselspannung mit geringer Frequenz pendelt sie mit gleicher Frequenz und etwas
Nachlauf um den Nullpunkt hin und her. Bei sehr hoher Frequenz ist die Spannung und das Pendeln = Null.
Und was ist dazwischen? Und was heißt 'geringe' und was 'hohe' Frequenz?
Diese Frage führt in die 'Abgründe' der höheren Mathematik. Daher hier nur so viel: Wir haben oben
gesehen, daß die Verzögerung von der Größe sowohl des Widerstandes als auch des
Kondensators abhängt. Es liegt also nahe, die beiden Werte zu multiplizieren. Betrachtet man dazu erst
einmal nur die Dimensionen Ω ( = V/A ) und F ( = As/V ), dann ergibt sich:
(V/A) × (As)/V = s
Als Ergebnis kommt 'Sekunde' heraus, also eine Zeit. Das heißt aber: wenn ich einen Widerstandswert mit einem
Kapazitätswert multipliziere, kommt eine Zeit heraus. Dieses Ergebnis wird auch tatsächlich 'Zeitkonstante'
(Formelzeichen τ) genannt, also:
τ = R × C.
Rechenbeispiel: für R = 1 kΩ und C = 1 µF ergibt sich τ = 1 ms (Millisekunde).
Wie wirkt sich nun die Zeitkonstante beim Laden eines Kondensators aus?
Dieser Spannungsverlauf stellt sich ein, wenn wir einen Kondensator über einen Widerstand laden wollen und die
Gleichspannung plötzlich einschalten.
Waagerecht aufgetragen ist die Zeit, unterteilt in Zeitkonstanten; senkrecht ist die Spannung am Kondensator
dargestellt, sie geht von 0 bis 1 (oder: von 0 bis 100 %). Nach 1 τ ist der Kondensator auf 63,2 % der Spannung
aufgeladen (grüne Linie), nach 2 τ sind es 86,5 %, nach 5 τ ist der Kondensator mit 99,3 % praktisch
voll geladen. Die rote Linie besagt: würde man den Kondensator mit dem Anfangsstrom konstant weiterladen,
wäre er nach genau 1 τ voll auf die Versorgungsspannung geladen.
(Für ganz Hartgesottene: Die 63,2 % errechnen sich zu 1-1/e, wobei e die Basis der Natürlichen Logarithmen
ist. e ergibt sich auf dem Windows-Taschenrechner (Ansicht: wissenschaftlich) mit den 3 Tastendrücken '1',
'INV', 'LN' zu 2,718.....)
Wenn man, wie im Bild rechts dargestellt, die Zeitkonstante (T = 1 sec) als Tangente im Nullpunkt an eine
Sinusfunktion legt (grüne Gerade), so erhält man als Durchlauf-'Zeit' durch eine komplette Sinus-Schwingung
(dies nennt man auch die Periodendauer; sie wird mit T bezeichnet) den Wert 2π, also 6,28... Sekunden.
Das bedeutet aber, daß zu einer Zeitkonstanten von 1 s eine Frequenz von 1/(2π), also 0,159 Hz, gehört.
Phasenverschiebung:
Wir wissen bis jetzt, daß, wenn die Spannung am Kondensator konstant ist, kein Strom fließt, und
daß der Strom um so größer ist, je stärker (oder: je schneller) sich die treibende Spannung
ändert. Dies bedeutet, daß bei einem Kondensator (wenn er an einer Wechselspannung hängt) der Strom
nicht zum gleichen Zeitpunkt wie die Spannung sein Maximum hat (sondern dann, wenn sich diese Spannung am
schnellsten ändert). Dies gilt für jeden Kondensator, egal, wie er aufgebaut ist und was er für einen
Wert hat.
Das war beim Widerstand ganz anders: da hieß es U = R × I, je höher die Spannung, desto höher
der Strom. Fertig.
Ein Quasi-Widerstand eines Kondensators kann berechnet werden, ebenfalls nach der Methode R = U / I. Aber es gilt zu
berücksichtigen, daß U und I zeitlich versetzt auftreten. Daher wird der berechnete Wert auch
'Blindwiderstand' genannt und in Formeln mit X bezeichnet.
Ein Blindwiderstand setzt keine elektrische Energie in Wärme um. Daher wird er als 'blind' bezeichnet.
Sein Wert ist abhängig von der Größe des Kondensators, und zwar, je größer
der Kondensator ist, um so kleiner ist sein Blindwiderstand. Denken Sie bitte wieder an den Wassereimer: je
größer er ist, um so mehr Wasser muß ich einfüllen, um einen bestimmten Pegel zu erreichen.
Und der Blindwiderstand ist frequenzabhängig: je schneller die Spannungswechsel erfolgen, um so
größer ist der Strom, der hindurchfließt (bei gleicher angelegter Spannung natürlich).
Der Blindwiderstand ist:
Dabei ist f die Frequenz in Hertz, C der Wert des Kondensators in Farad und der Wert des Blindwiderstands in Ohm.
Beispiel: Ein Kondensator mit 1 μF hat bei 1 kHz einen Blindwiderstand von 159,15 Ω.
Tiefpaß-Filter:
Schauen wir noch einmal auf die kleine Schaltung oben, wo ein Widerstand und ein Kondensator in Reihe geschaltet
wurden. Wir hatten gesagt, daß bei sehr hohen Frequenzen die Spannung am Kondensator = Null wird, und daß
bei niedrigen Frequenzen die Ausgangsspannung der Eingangsspannung 'hinterherhinkt'. Wir hatten bisher die Frage
noch nicht geklärt, was 'hohe' und was 'tiefe' Frequenzen sind. Dazu wird eine sogenannte 'Grenzfrequenz'
(fg) festgelegt, bei der der Blindwiderstand des Kondensators gleich groß ist wie der ohmsche
Widerstand. Formt man die bisher hier angegebenen Formeln um, so erhält man für die Grenzfrequenz
Unterhalb dieser Frequenz ist die Ausgangsspannung (das ist die am Kondensator) etwa gleich der Eingangsspannung,
oberhalb wird sie mit wachsender Frequenz immer kleiner. Bei der Grenzfrequenz ist die Ausgangsspannung nur noch
70,7% der Eingangsspannung. Da diese Schaltung tiefe Frequenzen fast ungedämpft passieren läßt,
spricht man auch von einem Tiefpaß.
Im Bild ist horizontal aufgetragen das Verhältnis von Frequenz zu Grenzfrequenz, vertikal das Verhältnis
von Ausgangsspannung zur Eingangsspannung.
Anwendung:
Ich möchte mir einen Tiefpaß-Filter bauen, der die Wechselspannung von 50 Hz um den Faktor 100 dämpft.
Dazu gehe ich in die Zeichnung bei 0,01 (das ist die umgerechnete Dämpfung) und fahre nach rechts zur Kurve;
dort finde ich eine '100' (das ist die gewünschte Frequenz dazu, also die 50 Hz). Die Grenzfrequenz beträgt
also 50/100 = 0,5 Hz. Der Kondensator soll 1 μF groß sein. Daraus errechnet sich nach der Formel für
die Grenzfrequenz der Widerstand zu 318310 Ω, also etwa 330 kΩ.
Nun tauchen natürlich Fragen auf wie:
'Wieso ist die Spannung an der Grenzfrequenz nur auf 70% abgesunken, wo doch beide Widerstände gleich groß
sein sollten?'
'Geht das alles nicht ein bißchen einfacher, ein bißchen anschaulicher?'
Antwort: jein, es geht vielleicht, aber es wird etwas mathematischer.
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Ein Fall aus der Praxis und damit verbunden eine Warnung:
Es ist dem Autor bei dem Bau der
Lichtsignal-Signalsteuerung
passiert:
Es wird eine Schaltung entworfen und getestet; und wenn alles in Ordnung ist, wird sie in die Anlage eingebaut: ein
ganz normaler Vorgang.
Nun hatte die Schaltung zur Spannungsversorgung einen Spannungsregler, der aus der Anlagen-Spannung von 15 Volt
(das ist bei uns so) 5 Volt für den PIC machen mußte. Diese Regler brauchen, um stabil arbeiten zu
können, am Eingang und am Ausgang je einen Kondensator in der Größenordnung von 1 μF. Dazu
nahmen wir, weil gerade vorhanden und auch recht klein, je einen Tantal-Elko. (Das sind die kleinen Dinger, die
aussehen wie ein Tropfen auf 2 Beinen. Leider ist auf dem Foto über die Bauformen keiner dabei.) Die Schaltung
wurde aufgebaut und getestet an einem kleinen Netzgerät. Beim anschließenden Einbau in die Anlage gab es
nach kurzer Zeit einen lauten Knall, und der vorderste Elko war explodiert. Na, vielleicht falsche Spannung, dachten
wir, und bauten einen anderen ein, aber aus einer anderen Fertigung. Auch dieser verabschiedete sich mit lautem
Getöse. Da uns Denken allein nicht weiterhalf, haben wir etliche elektrisch gut ausgebildete Freunde und
Bekannte gefragt; dabei stellte sich heraus, daß ein Tantal-Elko wegen seiner guten wechselstrommäßigen
Eigenschaften gut zur Filterung hoher Frequenzen geeignet ist, da sein intern vorhandener Widerstand (im Schaltbild
der 'Draht' vom Anschluß bis an die Kondensator-Fläche) sehr klein ist. Hier in unserer Anwendung war das
sein Todesurteil! Der arme kleine 1-μF-Kondensator versuchte, die mächtige Spannung an unserem Netzteil an
der Anlage (es kann immerhin 30 Ampere liefern) konstant zu halten. Durch die sehr hohen Lade- und Entlade-Ströme
(dazu s. weiter oben) hinein und hinaus ist ihm dabei so heiß geworden, daß er explodiert ist.
Was 'lernt' uns das?
Ein Tantal-Elko darf niemals ohne Schutz direkt an energiereichen Spannungsquellen betrieben werden.
Es ist immer ein 'Schutzwiderstand' von einigen Ohm in die Zuleitung zu schalten. Einem normalen
Elektrolyt-Kondensator macht diese Schaltungsart nichts aus, da sein innerer Widerstand von sich aus schon recht
hoch ist.
Oder: wir bauen in die Zuleitung von außen zu dem Tantal-Elko eine Diode ein. Somit wird, falls die Spannung
einmal einbricht, der Elko nicht 'leergesoffen'.
Das haben wir gelernt und geben es so an Sie weiter.
Für weitere Fragen stehen gern zur Verfügung:
- der MEC; Besichtigung und Fachsimpelei z.B. an unseren "Club-Abenden"
- der Autor: Hans Peter Kastner
Version vom: 13.02.2021; erstellt am: 16.09.2005
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